Ein Blaumann macht noch keinen Fachmann

Hut ab: schneller kann man trotz krachender Inkompetenz kein Geld verdienen! Das gilt für die „Techniker“, die wir wegen einer kaputten Sicherung an Bord geholt haben… Gleichzeitig: schneller kann man durch krachende Inkompetenz kein Geld verbrennen! Das gilt für mich Idioten, der sehenden Auges selbige Sicherung massiv überlastet und damit ins Reich der ehemals funktionierenden Sicherungen geschickt hat. Wie auch immer – die erste Begegnung der weniger schönen Art habe ich auf unserem Törn jedenfalls hinter mir.

Der Reihe nach. Ich schmeiße die Kochplatte via Landstrom auf der Arbeitsplatte am Heck an, aber nicht nur eine (auf der die Pfanne mit den Garnelen brutschelte), sondern die zweite gleich hinzu, auf der die Nudeln kochen sollen. Es macht ein Geräusch, die Kochplatte ist aus – und die Sicherung… Siehe oben…

Hmmm… Strom! Nicht ganz anspruchslos! Da frage ich besser einmal jemanden, der sich damit auskennt!

Hier in Mirow gibt es den „Rick & Rick Bootservice“, das klingt nach „hat Sicherungen für Boote und kann diese auch ersetzen“. Weit gefehlt, der „Bootservice“ betreibt eine Marina, verleiht Boote und verkauft die Kiste „Lubitzer“-Pils für 25,– Euro plus Pfand. Der braucht keine Sicherungen auszutauschen, der kommt auch so aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Aber Rick kennt jemanden, den er empfehlen kann: Günter S., ebenfalls Bootservice, aber ohne Pils und Bootsverleih. Ein Anruf genügt, Günter nimmt schleppend die anstehende Herausforderung zur Kenntnis und „kommt vorbei“.

„Schleppend“ beschreibt auch den Gang des deutlich über 70jährigen, als er, begleitet von einem wesentlich jüngeren Mann, Ende 20, vom Boot aus gesichtet wird. Er geht erstmal pullern, dann kommen die beiden ohne irgendein Werkzeug an Bord und lassen sich die Situation schildern. Jan heißt der junge Mann, der schließlich fachmännisch diagnostiziert, dass die Sicherung kaputt ist und auf mein (zugegeben etwas sarkastisches) „Nein, nicht wahr…!“ gar nicht reagiert.

„Ich gehe dann mal Werkzeug holen“, meint er – und macht sich schon auf den Weg zum ca. 500m entfernt parkenden Firmenwagen. „Nee, lass mal“, antworte ich, „wir haben alles an Bord!“ Sein Blick schwankt zwischen bedenklich und misstrauisch – aber als ich ihm unsere bunte Palette an vielfältigem Werkzeug präsentiere, muss er gestehen, dass da nichts fehlt. Er baut die kaputte Sicherung aus und verkündet, dass sie sich jetzt auf den Weg machen, eine neue zu besorgen. „Kann eine halbe Stunde dauern!“

Eine gute Stunde später tauchen die beiden wieder auf und verkünden, dass sie die Sicherung nirgendwo bekommen hätten. Aber ein Kollege hätte zufällig Mittags welche in der Post und der käme dann spätestens um 14:30 Uhr um das Teil einzubauen. Günter und Jan verabschieden sich nicht, ohne vorher 150,– Euro für ihren bisherigen Auftritt zu verlangen.

Unter anderen Umständen hätte ich den Herren vorgerechnet, dass dies einem Stundenlohn von 200,– Euro entsprich, den ich wiederum nur vom Hörensagen aus zweifelhaften Etablissements kenne – aber ich brauche ja noch die neue Sicherung und diese nach Möglichkeit eingebaut.

Der Kollege, der um 14:30 Uhr da sein sollte, ist zu dem Zeitpunkt an einem Ort, den ich nicht kenne, aber jedenfalls nicht bei uns. Um 16:00 Uhr frage ich bei Günter nach. Der fragt erst einmal zurück, wer ich bin und worum es genau geht. Ein Management-Summary der vergangenen 5 Stunden reicht und er erinnert sich. „Ja, der Kollege hatte Schwierigkeiten mit dem Handy, der kommt aber noch!“ Woher Günter weiß, dass der Kollege Schwierigkeiten mit seinem Handy hatte, erschließt sich mir nicht – der hatte schließlich Schwierigkeiten mit seinem Handy… Wie auch immer…

Um 18:00 Uhr bin ich mir mit Thessa einig, dass wir Günter am nächsten Morgen nochmal anrufen, als… Ja: als sich plötzlich auf dem Steg an Steuerbord eine Camouflage-Jogginghose bewegt. „Hallo!?“ sächselt es vom Steg – und ich stürme hinaus. „Bist Du der Kollege von Günter?“, frage ich den Herrn, dessen äußeres ein bisschen an Meat Loaf erinnert, allerdings Meat Loaf heute, ein halbes Jahr nach seinem Tod.

Den Namen von Günters Kollegen habe ich vergessen – ich bin nicht einmal sicher, ob er den genannt hat. Er verkündet jedenfalls zunächst, dass er genauso alt ist wie Günter, aber dass man ihm das doch beim besten Willen nicht ansieht „nüsch woar?“. Günters Kollege zieht einen FI-Schalter aus der Tasche und fragt, wo der denn jetzt hin soll?

Zugegeben: ich kann eine Autobatterie nur von einem Toaster unterscheiden, weil ich mir gemerkt habe, dass Autobatterien keine zwei Schlitze haben – also von Elektrik und Elektronik habe ich mal so herrlich gar keine Ahnung. Aber was ich in dem Moment wusste war, dass wir keinen FI-Schalter brauchen, sondern eine Sicherung. „Na, da hat der Günter mir aber wieder einen Bären aufgebunden“, verkündet sein Freund und ergänzt: „Der soll sich endlich mal ein Handy kaufen, mit dem man auch Fotos machen kann!“ Eine Sicherung hat er jedenfalls nicht dabei…

Aber wo er gerade einmal da ist, unser Camouflage-Softrocker, fängt er ungefragt an, mit irgendwelchen Instrumenten irgendwelche „Ströme“ zu messen. „Die tut’s“, stellt er fachmännisch an einer Leitung fest. „Die auch“, bekommt die nächste als Prädikat – und das geht noch ein Viertelstündchen so weiter. Ich warte derweil darauf, dass er uns bestätigt, dass man durch die Fenster nach draussen schauen kann und dass das Wasser, das in der Küche aus dem Hahn kommt, nass ist.

Günters Freund verschwindet anschließend (warum auch immer) unten im Motorraum und widmet sich dem Batterie-Ladegerät. „Das ist kaputt“, diagnostiziert er in Minutenschnelle. „Das braucht Ihr neu, sonst geht hier gar nichts mehr!“ Ich schaue fragend meine Frau an, deren Erwiderung allerdings auch keinen Beitrag zur Frage „Und nun?“ leistet. Günters Freund kassiert noch schnell 50,– Euro für seine Leistung und verschwindet wie einst John Wayne mit seiner Jogginghose in der Abendsonne.

Thessa und ich gehen erstmal essen, lecker. Irgendwie haben wir beim Grappa eine Idee. Neben dem Sicherungskasten sind zwei Steckdosen, die direkt mit Landstrom versorgt werden. Was wäre denn, wenn wir einfach mal versuchen, das mucksmäuschenstille, dunkle, laut Günters Freund kaputte Batterie-Ladegerät mit einem Verlängerungskabel an diese Steckdose anzuschließen? Gesagt getan, ich klettere in den Motorraum, stecke den Stecker des Ladegerätes in das Verlängerungskabel, komme wieder hoch, stecke das Verlängerungskabel in die Steckdose – und augenblicklich juchzt unser Batterie-Ladegerät und lädt Batterien, als ob es nie damit aufgehört hätte.

Am nächsten Morgen habe ich Günters Mailbox in der Leitung, nachdem ich versucht habe, nach der Sicherung zu fragen und ich erzähle lustig und frage ebenso nach, wie es denn in dieser Sache jetzt weitergeht? Am 25. April 2029 werde ich 60 Jahre alt – und ich bin mir sicher, da warte ich immer noch auf einen Rückruf.

Wie auch immer, es gibt einen Elektro-Fachhandel hier im Ort, offensichtlich mit einem Elektro-Fachmann. Der hat gestern eine Sicherung bestellt, meldet sich heute, wenn die da ist und baut die dann hoffentlich auch direkt ein. Der kennt auch den Günter, hat da aber keine offizielle Meinung zu – und ich wäre versucht, den zu bitten, sich sein Honorar bei Günter abzuholen. Mache ich natürlich nicht. Jetzt erst einmal Daumen drücken, dass das mit der Sicherung heute auch was wird, so langsam darf es dann auch einmal weitergehen via Rechlin und Röbel nach Waren an der Müritz – wir werden berichten!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner