Unser Boots-„Techniker“ Jan – Teil 2…
Wir haben „Jan“, der übrigens wirklich so heißt, zufällig wiedergetroffen. Im Hafen von Rechlin übergab er ein Charter-Boot an die nächsten Gäste. Schon als wir angelegt haben und er uns erkannt hatte, war ihm sein schlechtes Gewissen aus den Augen abzulesen – wir haben aber erst einmal nichts gesagt. Danach bin ich noch stur an ihm vorbeigelaufen, natürlich nicht ohne ein besonders freundliches „Moin!“. Es hat sich gelohnt, ihm beim Durchatmen zuzuschauen, zu merken, dass er sich sicher war, dass wir die Sache auf sich beruhen lassen. Ich finde auch Rache mit etwas Anlauf viel erfüllender als plumpes Gemecker. Überhaupt hatte ich längst beschlossen ihm einfach die schlechte Laune zu schenken, die mir der ganze Mist eingebracht hatte. Was nutzt mir das, wenn ich ihn beschimpfe? Irgendwelches Geld bekommen wir eh nicht zurück, das steckt wahrscheinlich schon tief in einem Automaten der nächsten Spielhalle von Rechlin. Nö, das machen wir uns jetzt ein bisschen hübsch. „Teile und herrsche“, kein ganz neues Prinzip, aber sehr bewährt – gell, Julius?
Nun also gut, ich sehe Jan einsam und allein den Steg entlanglaufen – und jetzt schlage ich zu!
„Moin! Hast Du mal einen Augenblick Zeit?“
Jan schaut etwas gehetzt, war wohl nichts mit „auf sich beruhen lassen“, irgendwie habe ich das Gefühl, dass er gerade einen Schritt rückwärts gemacht hat…
„Äähh“, stammelt er, „Worum geht’s denn?“
„Ich wollte mich nur nochmal bedanken, Euer Techniker hat wirklich einen tollen Job gemacht, funktioniert alles wieder einwandfrei. Und dass er für dieses wirklich nicht ganz anspruchslose Gefummel inklusive Sicherung gerade einmal 250,– Euro genommen hat, ist mehr als fair! Danke!“
Jan schaut mich an, als ob ich gerade behauptet hätte, dass es gar keine Corona-Diktatur gibt und Frau Dr. Merkel in Wirklichkeit nie weg musste.
„Wie jetzt?“, er stammelt immer noch… Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er tatsächlich intellektuell so naturbelassen ist, wie ich mir das gewünscht habe.
„Nee, alles prima, nochmal herzlichen Dank!“, juchze ich in den Hohlraum hinter seinen Augen und wende mich ab.
„Moment mal!“, Jans Stimme hat jetzt so einen seltsamen Nachdruck. „Wie jetzt, der Lubzek hat das Teil repariert und 250,– Euro kassiert?“, fragt er.
„Ja klar, war alles prima – und das mit dem neuen Batterie-Ladegerät machen wir auch mit ihm, sicher ist sicher!“ Und wieder wende ich mich ab, immerhin weiß ich jetzt, wie der Nulloide mit der Camouflage-Jogginghose heißt…
„Nee jetzt, ernsthaft, Moment mal“, Jan wird energischer.
Bevor ich mich erneut herum drehe, trainiere ich kurz mein „Du, ist doch alles prima!“-Gesicht.
„Du, ist doch alles prima!“, flöte ich ihn an.
„Nee, nix ist prima!“, Jan ist bereits latent überfordert – es läuft! „Nix ist prima“, wiederholt er, „Der Lubzek hat mir was ganz anderes erzählt!“
„Was hat er denn erzählt?“, frage ich betont beiläufig.
„Na, dass er keine Sicherung dabei hatte und ihr ihm angeblich nur 50,– Euro gegeben habt!“
„Wenn er keine Sicherung dabei gehabt hätte wären wir bestimmt nicht von Mirow hierher nach Rechlin gekommen, oder?“
„Und von einem neuen Batterie-Ladegerät hat er auch nichts erzählt“, fährt Jan unbeirrt fort.
Ich ziehe die Augenbrauen für mein „Übrigens“-Gesicht hoch und setze zum nächsten kognitiven Leberhaken an. „Übrigens“, frage ich Jan, „Wie läuft das mit dem Batterie-Ladegerät? Kann der Kollege das über eine eigene Firma abrechnen oder ist das dann auch ein Auftrag für Euren Bootservice?“
„Der Lubzek kann überhaupt nichts abrechnen“, platzt es aus Jan heraus. „Der ist seit hundert Jahren Rentner und hat nen Behindertenausweis. Und ein Batterie-Ladegerät baut der schon mal hundertmal nicht ein, der ist doch blöde wie ne Parkuhr. Wie kommt der überhaupt auf so nen Scheiß?“
Es fehlt nur noch, dass Jan beim letzten Satz mit dem Fuß aufstampft.
Ich bin latent entsetzt! „Wie bitte“, frage ich Jan, „und was ist mit unserer Anzahlung?“
Jan wird es zu viel! „Was für eine Anzahlung?“, er schreit jetzt fast…
„Na, 1.200,– Euro, Dein Kollege meint das der Ganze Spaß rund 3.200,– Euro kosten wird!“
Jan hyperventiliert… „So’n Kack-Batterie-Ladegerät kostet doch keine 500 mehr! Wofür will der denn drei Mille?“
„Ich weiß es doch auch nicht“, viel unschuldiger bekomme ich so einen Satz nicht über die Lippen. „Ich rufe ihn am besten Mal an, seine Visitenkarte habe ich ja noch an Bord!“
„Was für eine Visitenkarte?“, Jan ist jetzt nicht nur laut, er versteht auch die Welt nicht mehr.
Ich wende mich ab, schreite davon, zähle langsam von 10 runter und drehe mich um. Was für eine Überraschung, Jan hat sein Handy am Ohr…
Viel Spaß damit, Jungs!
Morgen geht’s weiter nach Röbel!